Erste Hilfe bei Kündigungen und der Abfindungspoker

Erste Hilfe bei Kündigungen – was müssen Sie über Abfindungsverhandlungen wissen und wie bereiten Sie sich auf einen Abfindungspoker am besten vor?

Wann kann der Chef Ihnen kündigen?

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist dann erschwert, wenn es erstens länger als sechs Monate bestanden hat und zweitens Ihr Arbeitgeber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Dann findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.

Das heißt nicht, dass Sie ansonsten, also wenn Sie in einem Kleinbetrieb arbeiten und / oder weniger als sechs Monate dort beschäftigt sind, „vogelfrei“ sind und jederzeit entlassen werden können. Aber die Hürden für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage sind dann deutlich höher.

Welche Kündigungsgründe gibt es und was machen einige Arbeitgeber, um einen Mitarbeiter billig loszuwerden?

Wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kann der Arbeitgeber, wenn er Erfolg mit der Kündigung haben will, Ihnen nur „betriebsbedingt“, „verhaltensbedingt“ oder „personenbedingt“ kündigen. Der wichtigste Unterfall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung. Dabei reicht es nicht, ein solches Schlagwort im Kündigungsschreiben zu benutzen, z. B. „personenbedingte Kündigung“, sondern die Kündigung muss begründet werden. Viele Arbeitgeber geben heutzutage die Kündigungsgründe gar nicht im Kündigungsschreiben an, sondern setzen mit der Kündigung erst mal einen „Platzhalter“, den sie dann hoffen, irgendwie noch füllen zu können. Aber Achtung: Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung an. Der Arbeitgeber kann also nicht noch später nach Gründen „fischen“ gehen und hoffen, irgendetwas ließe sich später noch finden oder konstruieren, um eine Kündigung durchzubekommen.

Manche Arbeitgeber versuchen den Arbeitnehmer, den sie billig loswerden wollen, nach allen Regeln der Kunst zu provozieren, z. B. mit willkürlichem Entzug des Firmenwagens, Aufhetzen von Kollegen untereinander, willkürlicher demütigender Degradierung, Versetzen auf einen abgelegenen und unattraktiven Arbeitsplatz, Geltendmachung von abstrusen Schadenersatzforderungen oder einer Kündigungsandrohung, für die es zu dem Zeitpunkt gar keinen Grund gibt. Sie hoffen also darauf, dass der Arbeitnehmer sich entweder einschüchtern lässt und selbst kündigt oder dass er sich provozieren lässt und dann durch Beleidigungen und Racheakte erst den Grund für eine Kündigung liefert. Ein solches Verhalten von Arbeitgebern kommt leider häufig vor, auch wenn es Mobbing darstellt. Seien Sie auf der Hut und lassen Sie sich auf keinen Fall provozieren, weil sie sonst dem Arbeitgeber einen Kündigungsgrund in die Hände spielen, den er sonst nicht gehabt hätte.

Wenn Sie in dieser Situation sind, dass der Arbeitgeber Sie mobbt und loswerden will, müssen Sie Ihren Fokus auf positive Dinge lenken: Stärken Sie Ihren Freundeskreis und versuchen Sie in dieser belastenden Zeit für Ausgleich zu sorgen. Kümmern Sie sich gut um sich selbst. Machen Sie Sport und ernähren Sie sich gut. Schlafen Sie ausreichend. Suchen Sie sich, wenn das Mobbing Sie stark psychisch belastet, einen vertrauensvollen Psychotherapeuten, bei dem Sie sich aussprechen können und der Ihnen den Rücken stärkt. Diese Zeit vor einer Kündigung durch den Arbeitgeber wird von vielen Arbeitnehmern als viel zermürbender empfunden, als die Zeit nach der Kündigung. Denn oftmals können sich die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nicht erklären und wissen oft nicht, dass dieser sie gezielt provoziert, weil er Kündigungsgründe schaffen will. Aber auch der umgekehrte Fall kommt vor: Der Arbeitnehmer, dem man eigentlich kündigen will, wird eingelullt, sodass er arglos ist und einen Fehler macht, auf den man gehofft hatte.

Was ist zu tun, wenn eine Kündigung auf dem Tisch liegt? Beachten Sie die Dreiwochenfrist für die Kündigungsschutzklage!

Wichtig ist, dass Sie bei längerer Abwesenheit von zu Hause dafür sorgen, dass jemand regelmäßig Ihre Post durchschaut. Irrigerweise wird immer wieder angenommen, dass der Arbeitgeber Ihnen während der Krankheit oder während des Urlaubs nicht kündigen könnte. Das kann er. Aber wie gesagt, die Kündigung muss vor Gericht erst mal Bestand haben. Ganz wichtig ist die Dreiwochenfrist. Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung müssen Sie bei dem Arbeitsgericht Klage erheben (lassen), wenn die Kündigung nicht endgültig wirksam werden soll. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, ist die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und das Verfahren für Sie kostenfrei und zwar auch in den höheren Instanzen. Ich empfehle meinen Mandanten unbedingt den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Es gibt ca. 50 Anbieter auf dem Markt. Sie sind nicht alle gleichermaßen gut. Fragen Sie Ihren Anwalt, welche Versicherungen er empfehlen kann.

Ganz wichtig ist, dass Sie die Versicherung mindestens drei Monate vor dem sog. Schadensfall abschließen. Bitte bedenken Sie, dass Sie bei Dauersachverhalten, also vor allem Mobbing und Diskriminierung Probleme bekommen, wenn Sie die Versicherung nicht drei Monate vor dem Beginn dieser Ereignisse abgeschlossen haben. Wenn das Mobbing  also vor einem Jahr begonnen hat, müssen Sie die Versicherung mindestens vor 15 Monaten abgeschlossen haben, damit die eine Deckungszusage für die Geltendmachung der Ansprüche auf Schmerzensgeld erteilt. Bei der Geltendmachung von Diskriminierungsentschädigung achten Sie bitte auf die enge Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG.

Betriebsratsanhörung und Formfehler bei der Kündigung:

Wenn Sie die Kündigungsgründe erfahren wollen,  können Sie sich an den Betriebsrat wenden. Dem Betriebsrat muss der Arbeitgeber die Gründe für Ihre Kündigung mitteilen. Andernfalls ist die Kündigung schon aus diesem Grunde unwirksam. Übrigens scheitern Kündigungen und zwar auch solche, bei denen die sog. Probezeit noch läuft, immer mal wieder an der unwirksamen Anhörung des Betriebsrates. Das ist eine regelrechte Fundgrube für Arbeitnehmeranwälte. Auch Formfehler können immer wieder vorkommen. Erst vor kurzem habe ich wieder eine Kündigung gesehen, die eingescannt per Email zugeschickt wurde. Die ist natürlich schon aus Formgründen unwirksam. Ergebnis: Abfindung in hoher fünfstelliger Höhe, obwohl das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung fand.

Betriebsbedingte Kündigung:

Der nach meiner Erfahrung häufigste Fall der Kündigung, ist die sog. betriebsbedingte Kündigung. Hier muss man:

-herauszufinden versuchen, ob Ihr Unternehmen freie Arbeitsplätze ausgeschrieben hat

-und ob der Arbeitgeber eine korrekte Sozialauswahl vorgenommen hat. Dabei kommt es auf die Betriebs­zugehörig­keit, das Lebensalter, das Bestehen von Unterhaltspflichten und das Vorliegen einer Schwerbehinderung an. Die Sozialauswahl ist angreifbar, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer  unter vergleichbaren Arbeitnehmern ausgewählt hat, obwohl ein anderer Mitarbeiter vor einer Kündigung weniger gute Sozialdaten hatte, d. h. jünger war, keine oder weniger Unterhaltspflichten hatte, nicht schwerbehindert ist oder weniger lang im Unternehmen war. Dabei greifen viele Unternehmen zu einem Punktesystem, das auch erst mal überprüft werden muss.

Ein Sonderkündigungsschutz (Schwerbehinderung, Schwangerschaft) muss auch noch geprüft werde.

Auch die Kündigungsfrist muss beachtet worden sein.

Wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, stehen die Zeichen für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage in der Regel gut. Noch  nie hat ein Mandant von mir eine Kündigungsschutzklage rechtskräftig verloren.

„Wie hoch wird meine Abfindung sein?“

Ziel der Klage ist es oft nicht, den Arbeitsplatz zurückzubekommen, sondern eine Abfindung zu bekommen. In der Regel gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Auch gibt es keine Regeln zu der Höhe der Abfindung. Aber faktisch wird sie immer bezahlt, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer loswerden will und keine Kündigungsgründe hat, die das Gericht überzeugen können.

Dann kauft er Ihnen den Arbeitsplatz durch eine Abfindungszahlung ab. Sie müssen sich das so vorstellen: Sie machen an ihren Arbeitsplatz ein „Preisschild“ dran. Zu diesem Preis sind sie bereit, Ihren Arbeitsplatz an den Arbeitgeber zu verkaufen. Wenn er den Preis nicht zahlen will, beschäftigte sie eben zu ihrem regulären Gehalt weiter und muss dabei in Kauf nehmen, dass ein frustrierter Mitarbeiter in der Regel ein schlechter Mitarbeiter ist. Deshalb greifen viele Arbeitgeber in der Regel zu einer Abfindung, um ihren Arbeitsplatz freizukaufen.

Wie hoch ist die Abfindung? Das ist höchst unterschiedlich. Es gibt kein Abfindungsgesetz und keine Formel, mit der sich das errechnen ließe. Es ist tatsächlich „ein Bazar“. Einige Faktoren spielen eine wichtige Rolle: Größe des Unternehmens und Branche, deutsche oder ausländische Muttergesellschaft, Führungsposition, Kündigungsfrist, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Vorliegen einer Schwerbehinderung, Höhe des Gehalts, Fehlverhalten auf der Seite des Arbeitnehmers, d. h. die Frage ob das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei war oder nicht und natürlich, ob der Arbeitnehmer über brisantes Wissen verfügt. Nicht zu unterschätzen ist der sog. Lästigkeitsfaktor. Je lästiger der Arbeitnehmer, desto eher sind manche Arbeitgeber gewillt, tiefer in die Tasche zu greifen, um ihn loszuwerden.

Die Höhe der Abfindung selbst ist dabei nicht so entscheidend, sondern das Gesamtpaket:

Man vereinbart z. B. eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Kündigungsfrist hinaus unter unwiderruflicher Freistellung (das ist wie Urlaub) und der Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens unter Auszahlung der Restgehälter („cash out“). Das ist die sog. Turboklausel.

Erst wenn diese großen Punkte durchverhandelt sind, spricht man über das Zeugnis. Ist das nicht auch ein großer Punkt? Für den Arbeitnehmer ja. Für den Arbeitgeber dagegen in der Regel nicht. Wenn Sie zu früh über das Zeugnis sprechen, wird der Arbeitgeber aber versuchen, ein Zeugnis Ihrer Wahl als „monetären Gegenwert“ zu verkaufen. Deshalb sprechen Sie am besten gar nicht darüber, es sei denn, Sie brauchen es wirklich dringend, weil Sie einen neuen Job sicher in Aussicht haben und man dort ein Zwischenzeugnis sehen will. Das Zeugnis ist in der Regel auch nicht das Problem. Das bekommt man am Ende der Verhandlungen fast immer so, wie man es haben möchte.

Was dürfen Sie nicht tun, wenn Sie eine Abfindung wollen?

Auf keinen Fall sollten Sie das Arbeitsverhältnis selbst kündigen, wenn Sie eine Abfindung bekommen wollen. In der Regel ist die Verhandlungsposition damit gleich null. Wenn sich nicht aus einem Sozialplan noch ein Abfindungsanspruch herleiten lässt, bleibt dann nur noch eine mögliche Mobbingklage mit dem Ziel, in eine Abfindungsverhandlung einzusteigen oder der Appell an das schlechte Gewissen des Arbeitgebers und seine Angst vor einem möglichen Reputationsschaden. Das ist nicht die beste Verhandlungsposition. Also: Bevor Sie selbst kündigen, lassen Sie sich von einem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten.

Was Sie auch nicht tun dürfen: Dem Arbeitgeber oder dem Gericht mitteilen, dass Sie eigentlich nur eine Abfindung wollen. Auch wenn Sie nie mehr an den Arbeitsplatz zurückwollen, behalten Sie das bitte für sich.

Und was kommt nach der Abfindung?

Wenn Sie die Abfindungsverhandlung erfolgreich hinter sich gebracht haben und möglicherweise sogar schon einen neuen Job haben, vergessen Sie eines nicht: Man sieht sich zwei Mal im Leben. Die meisten Arbeitnehmer wollen von einem Arbeitgeber, der sie gemobbt oder gar gekündigt hatte, nie wieder etwas wissen. Mein Rat: Springen Sie über Ihren Schatten und versuchen Sie trotzdem, die Wogen am Ende, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben, noch zu glätten. Denn möglicherweise ist die Branche, in der Sie arbeiten, klein und man redet miteinander. Sie sollten keine verbrannte Erde hinterlassen. Versuchen Sie zum Schluss noch ein paar versöhnliche Worte zu finden, auch wenn Sie vor Wut noch eine Faust geballt haben. Irgendwann brauchen Sie den alten Arbeitgeber vielleicht noch als Referenzgeber und dann wäre es gut, wenn es dort noch die eine oder andere Führungskraft gibt, idealerweise der alte Vorgesetzte, der Ihnen zumindest keine Steine in den Weg legt.